Ein Weihnachten im Tierheim

 

Es ist der 2. Weihnachtstag. Im Tierheim herrscht Hochbetrieb. Die Gassigänger verwöhnen ihre 4-beinigen Freunde mit Leckerchen und herrlichen Schneespaziergängen, Kinder wuseln herum, das kleine Büro ist voller Menschen, die alle Fragen an die Tierheimleiterin haben. Auf dem schwarzen Sofa im Vorraum sitzt eine vornehme, ältere Dame. Der zwischen ihren Knien stehende, bildschöne, braune Labrador schaut sie unverwandt an. Sie streichelt ihn und ich sehe, dass sie mit ihrem Hund spricht und stelle mich unauffällig neben die Beiden, um zuzuhören.

 

„Es tut mir schrecklich leid, dass Du wieder in einen Zwinger eingesperrt wirst Charly“, höre ich sie sagen. „Aber hier wird man das passende, schöne Zuhause für Dich suchen, wo Du Leben um Dich hast, rennen, toben und lange Spaziergänge machen kannst. Das kann ich Dir nicht bieten. “

 

Inzwischen hat sich das Tierheimbüro geleert. Die Gassigänger sind mit ihren fröhlich bellenden Hunden im Schnee verschwunden und die Tierheimleiterin kann sich um die alte Dame kümmern, die ihr Anliegen vorbringt. Sie möchte, Charly, das Überraschungsweihnachtsgeschenk ihrer Kinder, im Tierheim abgeben, denn in ihr Leben passt kein Hund. Schon nach den wenigen Tagen fällt es ihr schwer, den Hund der bereits sein Herz an sie verschenkt hat, hier im Tierheim zurückzulassen. Im Glauben, ihr etwas Gutes zu tun, haben ihre Kinder den 2-jährigen Labradorrüden von einer Züchterin gekauft, die ihn für ihre Zucht nicht gebrauchen konnte.

 

Als die Tierheimleiterin Charly in seinen Zwinger führen will, setzt er sich auf die Füße der alten Dame und weigert sich mitzugehen. Ich sehe die Tränen in ihren Augen, als sie sich schnell abwendet und das Tierheim verlässt.

 

Kurz darauf kommt eine Mutter mit ihren beiden Kindern ins Tierheim. Die Mutter trägt einen kleinen, matten Welpen unter dem Arm und schimpft gleich los. So hat sie sich Weihnachten nicht vorgestellt. Der Hund hat zuerst alle Schuhe und Stuhlbeine angeknabbert und Kinderspielzeug zerstört, dann hat er alles vollgemacht mit seinem Durchfall. Jetzt ist er krank und statt Weihnachten zu feiern, waren sie permanent mit dem Hund beim Tierarzt. Die Kinder haben kein Interesse mehr. Sie bringt den Hund ins Tierheim. Dabei hat sie lange im Internet gesucht und den Hund bei einem (vermeintlichen) Züchter - wer weiß wo - selbst abgeholt. Ein Schnäppchen war der Kleine wenigstens, aber in den paar Tagen sind die Tierarztkosten schon erheblich höher als der Kaufpreis!

 

Alle Jahre wieder spielen sich diese und ähnliche Szenen um die Weihnachtszeit in den Tierheimen ab. IvC.